Montag, 4. Juli 2011

Wenn Griechen durch die Krise kriechen

Foto: Manfred Nuding / Pixelio.de


Die vielzitierten Pleite-Griechen sind das Thema Nummer eins. Doch kaum einer fragt sich was mit den Menschen in Griechenland ist und wie ihr Leben aussieht. Finanzministerin Fekter steht mit erhobenem Zeigefinger da und erklärt in "Gib nicht alles auf einmal aus - Manier" einer Urgroßmutter, dass der Grieche über seine Verhältnisse lebt. Aber wie geht es dem Land und den Menschen? Und warum diese blutigen Proteste in Athen? Der ReiA hat sich das auf der Insel Rhodos angeschaut.

Der griechische Finanzsalat ist ja schon seit langem angerichtet - und er ist höchst ungenießbar und schwer verdaulich. Darin fehlt vor allem eine geölte heimische Wirtschaft. Da Brauchen die Griechen jede Scheibe – denn nichts anderes bedeutet das Wort „Tranche“ – vom europäischen Geld-Kuchen wie den sprichwörtlichen bissen Brot. Oder nicht?

Von Schuldensumpf und Steinhagel 

Also man könnte schon meinen, dass sie ein komisches Volk sind. Die Spinnen, die Griechen, wie Goscinny's Obelix einst sagte. Erst brauchen Sie einen Haufen Geld, dann kriegen sie ihn und dann hauen sie ihre eigene, schöne Hauptstadt in Trümmer. Einzig: die Sache ist etwas diffiziler. Während die Regierung in Athen mit Armen und beinen strampelt, um irgendwie dem Staatsbankrott zu entgehen, steht der Rest der EU am Ufer der Ägäis und hält die helfende Hand hin. Ergreifen darf die Regierung sie aber nur, wenn Sie verspricht radikalste Sparmaßnahmen einzuführen und einzuhalten – wenn nicht wird die hand wieder weggezogen. Wie jeder normal denkende Mensch, der kurz vor dem Exitus durch übermäßigen pneumalen Genuss von Wasser – sprich kurz vor dem Absaufen steht, greift auch die griechische Regierung zu. Sie packt die rettende Hand und verspricht alles was man von ihr will nur um nicht (sofort?) in dem Schuldenmeer unterzugehen. Das Problem dabei: Die, die von den Versprechungen in ihrem alltäglichen Leben negativ beeinträchtigt werden – und das sind, für die Regierung blöderweise, fast jeder Grieche und jede Griechin vom Säugling bis zum Greis – finden das reichlich uncharmant. Weswegen sie – ebenfalls uncharmant – nun eben Autos anzünden, Steine werfen und andere irrationale Dinge tun, die man halt so tut, wenn man stinksauer ist und seine Existenz bedroht sieht.

Kein Mord sondern fahrlässige Tötung

Herr und Frau Griechin sind nicht die Bösen, wie es uns viele Medien einreden wollen. Sie sind wenn, dann die „Uninteressierten“, „Achtlosen“ und „Politikverdrossenen“. Von einer gewissen Schuld kann man Sie aber auch nicht ganz lossprechen, denn schließlich ist jedes Volk für seine Regierung, sofern diese demokratisch gewählt werden kann, selber verantwortlich. Die griechische Politik hat über mehrere Jahre, ja Jahrzehnte hinweg verabsäumt sich wirtschaftlichen Herausforderungen aktiv zu stellen und versucht sich irgendwie durchzuschummeln und mitzuschwimmen. Und für dieses Versäumnis müssen die Bewohner des beliebten Urlaubslandes nun im wahrsten Sinne des Wortes bitter bezahlen.

Höhere Mineralöl- und Mehrwertssteuer

Beim Lokalaugenschein in Rhodos lebt man in zwei Welten: Auf der einen Seite die 5 Sterne- Hotelburgen von TUI, 1-2-Fly und wie sie alle heißen mögen, in am Reißbrett geplanten, künstlichen Touristenstädten wie Faliraki oder Kolympia. Einige hundert Meter weiter beginnt die Realität. „Das ist ja wie in Fallout 3“ (einem post-apokalyptischen Computerspiel, Anm.) „Da stehen nur Ruinen, kaputte Autos und ausgeschlachtete Geräte in der Gegend herum. Lauter Müll und Dreck in einem verdörrten Land“, brachte es ein Reiseteilnehmer auf den Punkt. Der Vergleich erschien – drastisch wie er war – nicht weit hergeholt: Es bot sich ein wahres Ödland. Der Grund: Viele Bauten werden nicht weitergeführt, Bauprojekte nicht zu Ende gearbeitet, weil das Geld ausgeht oder man sich die Grundsteuer, die in Griechenland laut Angaben einer Reiseleiterin erst nach Strom- oder Wasseranschluss zu zahlen ist, ersparen will. Denn die Preise für Grundnahrungsmittel und Benzin sind enorm und viele Griechen ächzen unter der Last. Die mittlerweile wieder auf 20 Prozent gesenkte Mehrwertssteur war in den vergangenen jahren von 19% auf zwischenzeitlich sogar 23% angehoben worden. Staatsbedienstete bekommen schon seit 2010 acht Prozent weniger Lohn und kein 13. und 14. gehalt mehr sondern nur mehr kleine Pauschalen - und das auch nur wenn Sie nicht über 3000 € brutto im Monat verdienen. Dazu gibt es Erhöhungen bei Steuern für Luxushäuser und auch Besitzer eines Swimming-Pools oder Luxusautos sollen zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Weiters im Portfolio des Grauens: Steuererhöhungen bei Tabak, Spirituosen und Treibstoffen, sowie auf Gewinne von Glücksspielen.

Einkaufstour

In diesem Land finanziell zu überleben ist derzeit nicht leicht. Denn schon das tägliche Leben ist teuer. Ein Liter Milch ist im billigsten Fall für ca. 1,35€ zu haben – bei uns ca. 0,89.  Das Kilo Mehl in der Diskont-Variante liegt bei 0,99€ - in Österreich ca. 0,39€. Auch der Spritpreis von derzeit rund 1,35€ für einen Liter Superbenzin, der bei uns schon höchst beschwerdewürdig ist, ist für die Griechen ein schöner Traum. Unter 1,70 sieht man für Super-Benzin kaum einmal eine Tankmöglichkeit. Ultimate-Benzin wurde bei einer Eko-Tankstelle im kleinen Afantou für 1,986€/ Liter gesehen. Werte bei denen dem Österreicher der Angstschweiß in Strömen ausbricht. Einzig das Gemüse und Obst, das quasi vor der Haustüre wächst, kann zu räsonablen Preisen eingekauft werden. Wer also glaubt Griechenland wäre jetzt billig, weil es Geld braucht der irrt. Die Zeiten des Billig-Urlaubs mit der griechischen Drachme sind längst vorbei. Auf Rhodos gilt in Tavernen auch außerhalb der Touristenorte: Preisniveau mindestens gleich wie in Österreich. 

Meinungsbildung

Die österreichischen Politikerinnen und Politiker haben im Zusammenspiel mit den Medien ein Bild der Griechen erzeugt, dass weit von der Realität entfernt ist. In den Köpfen vieler Österreicher sieht man den Griechen in der Luxustaverne sitzen. Bei feudalem Essen und mit einem Glas Ouzo in der Hand lächelt er über die Dummheit der restlichen Europäer die es ihm ermöglichen mit ihrem Geld über seine Verhältnisse zu leben. Dieses Bild muss abgebaut werden. Die Pleite-Griechen sind zum Großteil wirklich pleite. Nicht nur der Staat sondern auch die Privatpersonen. Sie kämpfen um ihr (wirtschaftliches) überleben. Und wenn man mit dem Rücken zur Wand steht und Angst vor der perspektivenlosen Zukunft hat, wie es jetzt in Athen der Fall ist, dann braucht ein Volk eine starke Führung und Verständnis und keine Brandmarkung internationaler Medien. Denn dieses Branding versetzt das aufgebrachte Volk dem eigenen Land dann schon lieber selbst – mit Molotvcocktails aus Ouzo-Flaschen.