Mittwoch, 19. Juni 2013

Game-Time (Vol. 3) - "La Boca"

Kosmos: La Boca, Inka und Markus Brand, 3-6 Möchtegern-Architekten

Coop-Tetris auf leiwand



Warum heißt ein Spiel, wo's ums Bauen geht „La Boca“ - also „der Mund“? Weil das bunte Stückwerk, das man hier erschaffen soll in der Architektur auf den Stadtteil „La Boca“ in Buenos Aires anspielen soll. Hätten die Jungs da unten in Argentinien allerdings nach Plänen gebaut, die genau so strukturiert sind wie die vorliegende Spielanleitung, würde maximal noch ein bunter Schutthaufen daran erinnern.

Nach dem dritten Mal durchlesen ist man der Meinung, es wäre der perfekte Zeitpunkt um das Spiel in die Ecke zu schmeißen und es nie wieder anzurühren. Und DAS wäre ein fataler Fehler. Denn – vorausgesetzt man übersteht das freie Assoziieren bezüglich der Regeln und derer möglichen Bedeutungen und das brennende Gefühl in „Darstellende Geometrie“ im Gym nicht genug aufgepasst zu haben – ist dieses Spiel eines der besten die ich je gespielt habe.

Die Idee ist simpel. Es spielen immer zwei Spieler zusammen. Sie sehen auf einer Karte den jeweiligen Aufriss der Konstruktion die Sie bauen müssen. Nur sieht diese, da alle vorhandenen Bausteine verarbeitet werden müssen, natürlich von jeder Seite völlig anders aus. Und so gilt es – ohne die Seite des anderen zu sehen – durch schnelles bauen und gute Kommunikation das richtige Ergebnis innerhalb möglichst kurzer Zeit abzuliefern. Denn je flotter desto mehr Punkte regnet es.

Wäre ein Alien auf Aufklärungsmission am Testabend im Wohnzimmer gesessen, er hätte seinem Vorgesetzten wohl von einer Invasion der Erde und ihrer unheimlichen Bewohner abgeraten. Denn keine 15 Minuten nach dem ultimativen Motivationstief zwischen „Ich glaub ich geh' lieber ins Bett“ und „Spiel' ma lieber Munchkin“ wurde mit hochroten Köpfen bereits vor Beginn der Runde penibelst darauf geachtet, die Bausteine so zu legen, dass beide Spieler einen um drei Zehntel-Sekunden optimierten Zugriff darauf haben. Ausgefuchste Kommunikations-Strategien à la: „I siag des Rote zwa Moi....na ned do....in da Mittn!“ wurden entwickelt. Ja selbst das Drücken der Stop-Taste des Timers wurde vorher bereits geprobt um keine entscheidende Sekunde zu verschenken.

Durch die super Idee, dass jeder mit jedem zwei Mal spielt (sofern es mehr als drei Spieler sind) kommt es auch nicht zu einer Grüppchen-Bildung und jeder strengt sich mit jedem Partner voll an die wertvollen Punkte zu ergattern. Dadurch ist natürlich auch der eine oder andere Moment der wonnevollen Schadenfreude vorprogrammiert, wenn man gerade nicht dran ist, die Lösung schon sieht und genüßlich dabei zuschauen kann wie sich die anderen das Hirn zermartern.

„La Boca“ ist abgesehen von der Spielanleitung, ein absolutes Spitzen-Spiel. Selten hat ein Spiel so viel Spaß gemacht und war gleichzeitig so motivierend, dass man trotz Arbeit am nächsten Tag um 1:30 noch ernsthaft über eine weitere Runde diskutiert hat. Die brillante Mischung aus 3D-Tetris und darstellender Geometrie ist allerdings – und das muss in aller Klarheit gesagt werden – definitiv noch nichts für Achtjährige.


Andreas Reisenberger

9-1*

* Abzug für die schlechte Spielanleitung

Dienstag, 18. Juni 2013

Game-Time (Vol. 2) - Ab in die Tonne

Abacus Spiele: Ab in die Tonne, Carlo A. Rossi, 2-5 fingerfertige Müllentsorger

So ein Mist!



Wer bringt den Müll runter? Richtig: Der, der auch mit aller Gewalt nichts mehr im Mistkübel unterbringt. Dass diese Beziehungs- und WG-Alltagsdynamik aber auch zu einem unterhaltsamen Spiel taugt ist so unerwartet wie neu.

Können wir nochmal spielen, Papa. Beim nächsten Mal fällt sicher bei Dir was runter.“ Ehrgeizige Begeisterung für Müll bei einer fünfjährigen Prinzessin. Wer hätte das gedacht. Die Tatsache, dass sich Müll stapelt ist ja jetzt per se nichts, was Herrn und Frau Österreicher sonderlich begeistert. Kaum darf man das ganze aber kompetitiv machen und mit Fingerspitzengefühl den letzten Apfelbutz genau in die Lücke zwischen Konservendose, Glasflasche und Milchpackerl versenken, bewegt man sich euphorisch in geradezu artistisch-architektonischen Mistsphären. Der Mechanismus ist simpel. Es gibt die vier oben genannten Müllsorten, die in den Mistkübel müssen. Wieviele man ablegen muss und in welcher Reihenfolge die Spieler zum Ablegen drankommen entscheiden zu gleichen Teilen Kartenglück wie Geschick. Ein bisschen Taktik, je nach Füllstatus des Mistkübels, ist schon angebracht um nicht bei bereits überfülltem Müllbehälter auf einmal zehn weitere Gegenstände entsorgen zu müssen. Denn: Der, bei dem sich das erste Stück Mist gen Boden verabschiedet, verliert die Runde. „LANGWEILIG!“ werden jetzt die Brettspieler schreien, die kein Spiel akzeptieren, dass mit weniger als 10 Seiten  Anleitung auskommt. Aber hey: Genau darum geht’s hier: Simpler Spaß für die ganze Familie den jeder (auch schon unter 6 Jahren) schnell behirnt hat. Ein Spiel, das Kinder gerne spielen, weil sich was tut und Eltern gerne mitmachen, weil sie einen gewissen Geschicklichkeitsehrgeiz à la „Des muas doch no eine gehn“ entwickeln. Und für die oben angesprochene WG-Fraktion: Geheimtipp: Das Ding wird zweckentfremdet zum  ultimativen Trinkspiel. Vergesst Punkte und Karten und legt einfach reihum rein, bis bei einem was runterfällt. Prost und viel Spaß!

Ab in die Tonne“ ist ein einfaches und schnell erklärtes Stapelspiel mit sehr schönem Material, das sich für Kinder wie Erwachsene gleichermaßen eignet. Wie meistens gilt, dass der Spielspaß mit der Anzahl der Mitspieler steigt.

Andreas Reisenberger

7/5*/10**

* zu zweit 
** als Party-Trinkspiel

Game - Time ( Vol. 1) - "Voll ins Schwarze"

Huch! & friends: VOLL ins SCHWARZE, Touko Tahkokallio, für 2-7 taktierende Schätzmeister

Blöd kannst' sein, aber schätzen musst' können


Wie schwer ist die größte jemals gezüchtete Blaubeere? Wissen Sie nicht? Dann ist das genau ihr Spiel. Hier ist Wissen nur bedingt Macht und Taktik wichtiger als ein Doktor in Alleswisserei.

„Schön blöd....ich weiß zwar, dass das Woodstock Festival 1969 war, aber ich hab nur Zahlenkarten die mich bis 61 bringen.“ So fühlt man sich oft bei diesem Spiel. Das Hauptproblem, dem sich der Spieler in „VOLL ins SCHWARZE“ stellen muss ist, dass er nicht nur die richtige Antwort aus einer von vier ausgewählten Fragenkategorien wissen oder erraten muss, sondern auch noch die nötigen Zahlenkarten um die Antwort, die immer zwischen 1 und 99 liegt, zu bilden. Da ist Taktik gefragt: Darauf hoffen, dass die anderen es ohnehin nicht wissen oder auch keine guten Zahlenkarten haben und man selber am nähesten dran ist, oder doch lieber die Pausenkarte ausspielen und sich somit für die nächste Runde mit drei neuen Zahlenkarten aufmunitionieren? Der Trade-Off zwischen Karten holen und trotzdem oft genug raten um am Ende als Schätzmeister hervorzugehen macht die Sache interessanter als herkömmliche Quiz-Spiele und mit einer runden halben Stunde Spieldauer ist es auch für zwischendurch geeignet. Kleiner Abschlusstipp: Es gibt sechs Fragen-Kategorien, aber pro Spiel spielt man nur mit vier. Sofern Sie also debattiös veranlagte Freunde haben, die Ihre Lieblingskategorie sicher nicht kampflos weglegen wollen: Lassen Sie am besten zwei Kategorien schon vor dem Spiel unauffällig verschwinden.

VOLL ins SCHWARZE ist ein simples Schätzspiel mit interessanten bis lustigen Fragen und Taktik-Komponente. Die Raterei wird aber erst ab vier bis fünf Spielern interessant, weil dann die Taktik mehr zum Tragen kommt. Wer regelmäßig mit Freuden spielerisch sein Wissen erweitern will: Leider geil. Mit dem Partner allein daheim: Leider nein.

Andreas Reisenberger

7/4*


*zu zweit