Dienstag, 20. September 2011

Die Rösler-Show – Wenn Jungmediziner wirtschaftliche Euthanasisten werden

Philipp Rösler im Bundestag   

Siechende Märkte, Griechenland am Sterbebett und ein deutscher Arzt ohne Angst, ohne Zweifel, ohne Hirn und ohne Wähler.  


Griechenland ist in der Krise. Aber es ist dabei nicht allein – nur alleingelassen. Die europäische Union steht vor einem Abgrund. Während alle nach Lösungen suchen, scheint es für den promovierten Mediziner, deutschen Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler genau der richtige Moment für einen Versuch politisches Kleingeld zu machen. Und so stürzt er die Märkte und seine Partei ins Unglück.

 

Vertrauenskrise wird Finanzkrise


In den letzten Wochen erlebten die internationalen Finanzmärkte die schwersten Verluste seit der Finanzkrise 2008. Damals waren es faule Kredite auf Immobilien in den Vereinigten Staaten, die Banken belasteten und Märkte auf Talfahrt schickten. Heute ist die Sache wohl wesentlich komplizierter.

Einst und Jetzt


Während der Zeit nach dem Bankrott der amerikanischen Bank Lehmann Brothers ging es mit der Wirtschaft bergab. Die Tatsache, dass eine so große Bank einfach pleitegehen konnte, war bis zu diesem Zeitpunkt völlig unvorstellbar gewesen. Täglich wurde in allen Medien nur mehr von der Finanzkrise gesprochen. Dadurch wurde sie auch schnell zur realen Wirtschaftskrise, die sich auf Konjunktur und Arbeitsplätze auswirkte. Rückblickend kann man allerdings sagen, dass sich mit umfassenden Rettungsplänen für die „too big to fail“-Banken letztlich alles auch verhältnismäßig schnell wieder beruhigte. Doch jetzt ist das alles anders. Es ist zwar wieder eine Finanzkrise, aber diesmal sind nicht die Banken mit ihren faulen Krediten daran schuld, sondern Staaten, die ihren Haushalt nicht unter Kontrolle haben. Und der Glaube der Märkte daran, dass es aus der daraus folgenden Abwärtsspirale durch immer höhere Zinsen für Kredite ein entrinnen gibt, sinkt beträchtlich. Die Stunde der Spezialisten ist angebrochen.

Der griechische Patient und sein deutscher Arzt


Die Griechen haben ein simples Problem. Sie haben kein Geld. Und für jedes Geld, dass sie geliehen bekommen, müssen sie horrende Zinsen zahlen. Was macht der Grieche also? Er wurschtelt sich von einem Kredit zum nächsten. Wohl wissend, dass er diese wohl nie zurückzahlen kann aber auch wohl wissend, dass er ohne sie bald zahlungsunfähig ist, nimmt er das Geld wie ein Hungernder das Brot und versucht den wirtschaftlichen Tod hinauszuzögern. Nun kann man den heutigen Griechen aber gar nicht vorhalten, dass sie nicht versuchen würden zu sparen. Vielmehr versagt die europäische Union völlig darin sich einer konstruktiven Lösung zu öffnen. Anstatt zu helfen das Land wieder wettbewerbsfähig zu machen und so vielleicht einen Teil der Schulden wieder zurückzubekommen, lässt man die Griechen in ihrer Verzweiflung alleine. Es ist wenn man so will, als ob sich 26 Soldaten aus dem Kampf zurückziehen und, anstatt den Verwundeten mitzunehmen, ihm ein letztes Magazin für den Todeskampf gegen den herannahenden Feind in die Hand drücken, und ihm alles gute wünschen. Wenn er’s schafft ist es toll, wenn nicht ist es sein Problem. Das ist nicht die Vorstellung eines vereinten Europa aber exakt die Vorstellung von Philipp Rösler. Der Shooting Star der FDP hat damit aber auch schon ausgeleuchtet, denn während man als interessierter Beobachter im deutschen Bundestag schon auf Neuwahlen und einen große Koalition spekulieren könnte, beweist der Vizekanzler, Wirtschaftsminister und Chef einer schwindenden Partei nicht nur Dilletanz sondern auch noch Realitätsverlust. In einem Zeitungsinterview brach er ein Tabu und sagte, wohl im Hinblick auf den Gewinn von Wählerstimmen für die FDP Berlin, dass eine Insolvenz Griechenlands für ihn eine Option sei.

Dilletanz und Realitätsverlust

Gemeinhin sind Politiker dafür bekannt, dass sie möglichst viel reden und möglichst wenig sagen. Der deutsche Politik-Kaberettist Volker Pispers sagte einst über Angela Merkel: „Die Merkel sagt ja inhaltlich nicht viel, aber wenn sie was sagt, dann ist es auch nichts.“ Damit war er zwar etwas streng hat aber einen Satz geprägt, der für Philipp Rösler nur umso mehr gilt. Denn vorsichtshalber hat man im deutschen Finanzministerium bereits durchgerechnet, was so eine Insolvenz Griechenlands an Mehrkosten bedeuten würde. Dies sind nach vorsichtigen Schätzung bereits im ersten Jahr 8000 € pro Einwohner, also achtmal so hoch wie die jetzt diskutierte, einstweilen einmalige, Tranche des Rettungsschirmes. Weiters ist bei einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone auch der Großteil des Geldes, dass bisher verborgt wurde sicher weg und es würde wohl den Beginn des völligen Zusammenbruchs des europäischen Wirtschaftsraumes bedeuten. Auch Italien, Spanien, Portugal und Irland würden die Euro-Zone ob ihrer finanziellen Probleme wohl verlassen müssen. So würde man dann Schritt für Schritt jeden rauswerfen, bis nur mehr Deutschland übrig ist, was im Endeffekt eine völlige Zerstörung der euopäischen Sozial- und Wirtschaftsstrukturen bedeuten würde und Europa als globalen Player völlig unwichtig machen würde. Ganz zu schweigen davon, dass der Wegfall der Währungsunion und damit des europäischen Binnenmarkt für die exportorientierte Industrienation Deutschland wohl einem wirtschaftlichen Todesurteil gleichkommen würde. So weit hat der deutsche Wirtschaftsminister bei seinem munteren, wahlkampfgetriebenen Anti-EU-Vorstoß aber wohl nicht gedacht. Doch er setzte noch einen drauf.

How to lose voters


Nach seinem Besuch beim italienischen Finanzminister, den er für die Sparmaßnahmen lobte – die übrigens von Experten und den internationalen Finanzmärkten als absolut lächerlich bezeichnet wurden und zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit Italiens durch die Ratingagentur Standard & Poor’s führt – meldete sich Rösler erneut zu Wort: Er sei ausdrücklich nicht den Finanzmärkten verpflichtet, und tue was er für richtig hielte im Sinne der Menschen in Deutschland. Ein Deutschprofessor würde das wohl eine Themenverfehlung nennen. Als Zuschauer musste man sich nach Röslers Aussagen um einige Adern im Gesicht des deutschen „Grünen“-Vize-Fraktions-Chefs, Jürgen Trittin, Sorgen machen. Der hätte Rösler wohl am liebsten nochmal in den Wirtschaftskundeunterricht gesteckt. Aber auch von SPD-Chef Steinmeier und Koalitionspartnerin Angela Merkel von der CDU gab es Fingerklopfer für die unbedachten Vorstöße, waren doch deswegen die ohnehin schon nervösen Finanzmärkte weiter abgestürzt, was deutsche Unternehmen und Anleger ein Vermögen kostete. Doch ausgezahlt hat sich der Ausritt auf dem sturen Rösler’schen Ross für die FDP nicht. In Berlin bekam man für die Sturheit und Quärulanz am Wahltag eine vernichtende Rechnung präsentiert. Das Ergebnis lag mit minus 5.8% nur mehr bei 1.8% und damit nur unwesentlich über dem der Tierschutzpartei und sogar hinter der rechtsradikalen NPD. Ob Rösler die menschen tatsächlich wichtiger sind als die Finanzmärkte ist allerdings auch zu hinterfragen, wenn er einen Staat ohne Weiteres pleitegehen lassen würde, was bei einer Bank für ihn undenkbar wäre.

Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende

Und so warten die Finanzmärkte auf Erlösung. Noch gibt es aber keine Bodenbildung. Volatiles auf und ab bestimmt den Börsenalltag. Der hochemotionale und verunsicherte Markt entscheidet längst nicht mehr nach wirtschaftlichen und rationalen Kriterien. Die Ratio ist völlig der Emotion gewichen. Man wartet auf politische Signale für eine Beruhigung der Lage. Wie diese aber aussehen sollen ist angesichts der Schuldenmassen aber noch unklar.
Zeit für die Politiker Europas sich zusammenzureißen und miteinander zu arbeiten anstatt wirtschaftliche Sterbehilfe zu leisten. Denn ansonsten droht nicht nur ein Ende mit Schrecken, sondern ein Schrecken ohne Ende.  

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